Von Appenzell nach Luzern, Juli 2021
Alpenpanoramaweg Nr. 3, Etappen 3-10 https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/route-03.html
Nun habe ich mich doch an die Route gewagt, welche durch die Voralpen führt. Ist ja nicht gerade mein Wohlfühlterrain: Zuviel Auf und Ab, zuviele Alpweiden mit Kühen, teilweise zu knackige Etappen. Aber siehe da: Nachdem ich mich mal entschlossen habe, nicht stur nach der vorgegebenen Route zu wandern, habe ich den Alpenpanoramaweg richtig lieb gewonnen. Ein Tag auf dem Jakobsweg beispielsweise führt mich zu demselben Ziel, gibt mir aber Zeit und genügend Schnauf, die Streckenführungen der beiden Weitwanderwege in Ruhe zu vergleichen. Der Alpenpanoramaweg sucht stets die direkte Linie über kleine Passübergänge. Fehlt ein geeigneter Pass, wird der Weg über einen oder mehrere Hügel geführt, so dass die tägliche Dosis an Höhenmetern gewährleistet ist. Man bewegt sich auf eher kleineren Alp-, Feld- oder Waldwegen und ist in der Regel alleine unterwegs. Ganz anders der Jakobsweg, der mir wie der Rolls Royce unter den Weitwanderwegen vorkommt. Grösseren Steigungen geht er wenn möglich aus dem Weg (die Puste muss ja noch bis Santiago de Compostela reichen 🙂 ) und man geniesst schön gekieste, recht breite Wege, bei denen auch regelmässig Bänkli oder feudalere Rastplätze auftauchen. Noch nie habe ich so viele Weitwanderer getroffen wie auf dieser Etappe des Jakobsweges https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/routen/nationale-routen/route-04.html und schon gar nicht so viele alleinwandernde Frauen, alle gut erkennbar an der Jakobsmuschel am Rucksack.
Meinen Plan, gemütlich, aber „in einem Schnuz“ bis nach Luzern zu wandern, muss ich genau nach der Hälfte anpassen. Die Unwetter mit Hagel, Gewittern und Starkregen sitze ich lieber zu Hause aus und starte danach nochmals trocken und frisch ausgeruht für den zweiten Teil. Die einzelnen Etappen findet man verschiedentlich gut beschrieben. Ich fokussiere deshalb mehr auf meine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse.
Appenzell/Kaubad – Schwägalp https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/route/etappe-01153.html Der Wetterbericht hat versprochen, dass nach tagelangem Regen endlich die Sonne wieder scheinen wird. Ich glaube das mal, obwohl es am Morgen neblig, nieselig und kalt ist und gehe positiv gestimmt los. Die heutige Strecke kenne ich gut, bin sie aber nie mit zehn Kilos auf dem Rücken gewandert. Mehrere Kuhweiden mit äusserst aufmüpfigen Kälbern und Rindern gilt es zu durchqueren – und das bedeutet heute auch, sich durch Matsch und Schlamm zu kämpfen, den die Kühe hinterlassen haben. Der Dauerregen der letzten Tage lässt grüssen. Eine Bäuerin klärt mich auf: Die Tiere seien wegen des Regens nun drei Tage im Stall angebunden gewesen und deshalb heute etwas übermütig. Na dankeschön! „Etwas übermütig“ heisst, sie rollen die Augen, senken den Kopf, fixieren Luna, scharren mit den Hufen und galoppieren los, alternativ stürmen sie auch ohne Vorwarnung auf Luna zu. Da müssen sie jetzt durch, meint die Bäuerin trocken. Wie können sich so grosse Tiere von einem 7,5-Kilogramm-Hund bedroht fühlen?! Auf dem Kronberg herrscht immer noch dichter Nebel, man muss sich die Aussicht denken. Ich gönne mir ein warmes Mittagessen und gebe dem Wetter die Chance, sich zu bessern, was es auch brav tut. Ich sehe nun mein Ziel nicht nur vor dem geistigen Auge, sondern auch tatsächlich und packe den nicht minder schlammigen Teil bis zur Schwägalp an, wo ich am Nachmittag ziemlich verdreckt ankomme. Muss also bereits am ersten Tag waschen. Seufz.
Schwägalp – Stein/SG https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/route/etappe-01160.html Bereits auf der Schwägalp geht es weiter mit den heiklen Kuhbegegnungen. Heute sind es jedoch die ausgewachsenen Exemplare mit Hörnern, was es leider nicht besser macht. Ich entwickle langsam eine Kuh-Neurose….. Nachdem ich mich jedoch mit zwei anderen Fernwandererinnen zusammengetan habe und wir in der Gruppe über die Weiden laufen, scheren sich die Viecher keinen Deut mehr um uns. Noch verblüffter bin ich nur noch, als wir vom Kanton Appenzell in den Kanton St.Gallen wechseln und ab hier überhaupt keine Kühe mehr auf den Alpweiden anzutreffen sind. Diese Wendung und das sonnige Wetter verhelfen mir zu einem entspannten, tollen Wandertag. Es gilt den Risipass zu überqueren, der Aufstieg bringt mich gehörig ins Schwitzen. Wunderschöne Blumenwiesen zieren den Wegrand. Nach dem Passübergang eröffnet sich ein fantastischer Blick ins Toggenburg und die dahinterliegende Berge. Abwärts nach Stein/SG fliegen nicht nur die Beine sondern auch Herz und Seele.
Blick vom Risipass ins Toggenburg Der Übergang „Vordere Höhe“ von morgen
ist bereits oberhalb Stein/SG im Blick
Stein/SG – Amden https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/route/etappe-01157.html Der Übergang zum Walensee muss verdient werden. 700 Höhenmeter bis zur „Vordere Höhe“! Mein Göttergatte wandert heute mit und teilt die Leiden mit mir. Dankeviilmool 🙂 . Es geht anfangs in gerader Linie aufwärts, immer dem Dürrenbach entlang. Dieser wurde mit unzähligen Terrassen in Form gebracht. Die Restfeuchte des nächtlichen Regens lässt aus dem Toggenburger Wald ein subtropisches Gebiet entstehen, Stechmücken inklusive. Und wieder eröffnet sich nach Überwindung des Überganges ein grossartiges Panorama, diesmal mit Blick auf den Walensee, mein Etappenziel Amden und die Glarner Alpen. So langsam verstehe ich die Faszination des Alpenpanoramaweges.
einsamer Grill mit Aussicht 🙂
Schmerikon – Rapperswil Gut zwanzig Kilometer über die Linthebene, parallel zur Autobahn – darauf habe ich gar keine Lust. So nehme ich mir die Freiheit zur kreativen Routenwahl und steige erst mal in Bus und Zug nach Schmerikon. Hier beginnt der Zürichsee. Ich wandere gemütlich an Biotopen, Schilfgürteln, Bootshafen und Badis vorbei dem See entlang nach Rapperswil. Die Sonne brennt unbarmherzig und so muss ich während der drei Stunden mehrere Pausen einlegen, damit sich Luna im Schatten erholen kann.
Pfäffikon/SZ – Einsiedeln https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/routen/nationale-routen/route/etappe-01177.html „Mein“ Alpenpanoramaweg hat für heute vorgesehen, vor dem Etzelpass noch kurz über das Stöcklichrüz zu steigen. Man möchte ja abends wissen, warum man müde ist 🙂 . Das ist mir zuviel, deshalb steige ich oberhalb Pfäffikon/SZ in den Jakobsweg ein, der auf dieser Etappe ebenfalls nach Einsiedeln führt. Ich geniesse die einfache Linienführung über den Etzelpass und hinunter über die Teufelsbrücke https://www.bezirk-hoefe.ch/images/LEK%20-%20Attraktive%20Wanderwege/20%20Rundweg%20St.Meinrad-Etzelkulm/Rundweg_St.Meinrad-Etzelkulm.pdf bis zum Sihlsee. Letzteren umrunde ich zusätzlich noch halb (ich bin wirklich noch nicht müde 🙂 ) und nähere mich dem Kloster Einsiedeln über den wunderschönen Aussichtspunkt, der dem heiligen Benedikt https://benediktiner.ch/der-heilige-benedikt/ gewidmet ist. In Einsiedeln ist vielleicht etwas los! Sind die 800’000 Pilger (pro Jahr) etwa alle heute da? Da warte ich mal bis zum Abend und habe dann die Schwarze Madonna in der Klosterkirche fast für mich alleine. Die Madonna ist eine Berühmtheit https://www.kloster-einsiedeln.ch/schwarze-madonna/ , sie besitzt 27 prächtige Kleider (was würde da der bescheidene heilige Benedikt dazu sagen?!). Man darf sie nicht fotografieren, weshalb sie noch kein Instagram-Star ist.
Teufelsbrücke grosser und kleiner Mythen
im HintergrundLuna kümmert das Religiöse wenig – Hauptsache Schatten 🙂
Einsiedeln – Unterägeri https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/route/etappe-01164.html In Ermangelung eines „richtigen“ Passes müssen heute gleich zwei Hügel überwunden werden: der Katzenstrick und der Raten. Dazwischen überquert man das Hochmoor von Rotenthurm, das sich als wunderbar wohltuend erweist, sobald man die lärmende, vielbefahrene Strasse hinter sich gelassen hat. Dank des Regens der letzten Tage gibt es unzählige kleine Wiesenbäche. Die eigentlich wasserscheue Luna findet das toll und verschwindet immer wieder in den Gräben, um herumzutollen. Man ist nie zu alt, um Spass zu haben! Auf dem Raten esse ich ausserordentlich gediegen zu Mittag – ja, auch auf dem Alpenpanoramaweg kann man genusswandern 🙂 . Beim Etappenziel in Unterägeri sind die Schäden der letzten Unwetter deutlich zu erkennen. Der Pegel des Ägerisees ist noch immer so hoch, dass die Promenade mehrheitlich gesperrt ist. Rund um mein Hotel sind Hochwasserverbauungen angebracht.
Blick auf den Ägerisee rechtschaffen müde
Unterägeri – Zug https://www.schweizmobil.ch/de/wanderland/route/etappe-0960.html Der Alpenpanoramaweg hat heute nur den Zugerberg zur Überquerung gefunden. Kein anderer Hügel oder Pass in der Nähe. Nicht mal eine lange Strecke ist vorgesehen. Ha! Nach lockerer, aber wunderbarer Etappe durch ausgeprägtes Bauernhofgebiet kann ich bereits das Mittagessen in der Altstadt von Zug geniessen. Meine Unterkunft liegt im neueren Teil der Stadt. Hier haben die Verkehrsplaner ihre Aufgabe schlecht gelöst, die Stadt erstickt im Verkehr. Am Nachmittag machen wir einen gepflegten Spaziergang der schönen Seepromenade entlang. Findet Luna nicht lustig, entweder „richtig“ wandern oder dann schlafen! Das Leben kann ganz einfach sein.
Blick vom „sanften“ Zugerberg
auf den ZugerseeKapelle der heiligen Verena Altstadt Zug
Holzhäusern – Küsnacht am Rigi. Wiederum eine eigenwillig selbst kreierte Etappe mit dem Ziel, um ein Uhr in Küssnacht aufs Schiff zu steigen und nach Luzern zu fahren, wo meine Wanderung zu Ende geht. Weitere Unwetter sind in der Innerschweiz angesagt, deshalb plane ich keinen Geniessertag in Luzern, sondern fahre am Abend nach Hause. Die heutige Strecke führt uns zuerst dem Zugersee entlang – natürlich mit gebührendem Abstand. Der Wanderer soll ja nicht die reichen Bewohner der luxuriösen Villen mit Seeanstoss mit seiner Anwesenheit stören. Man bleibt lieber unter sich. Eine nette Dame (sie wohnt nicht in einer Villa, wie sie beiläufig erwähnt) mit zwei Windhunden begleitet uns ein Weilchen. Luna tobt ausgelassen mit den beiden. Sie hat also doch noch Reserven 🙂 . Wiederum passieren wir viele Bauernhöfe und ausgedehntes Kulturland, immer die Rigi im Blick. Wie gewünscht erreichen wir rechtzeitig Küssnacht am Rigi und lassen uns zum Abschluss der Tour vom Schiff nach Luzern chauffieren. Darauf habe ich mich schon lange gefreut.
Fazit: Appenzell – Luzern in acht Etappen geschafft; mit Unterbruch wegen der Unwetter. Sieben Passübergänge oder Hügel überquert, an sechs Seen entlang gekommen – und: Der Alpenpanoramaweg ist mir richtig ans Herz gewachsen. Er überrascht mich immer wieder aufs Neue mit Schönem, Unerwartetem, aber auch Schwierigem.
Rigi – Königin der Berge Multikulti-Paar krönender Abschluss geschafft!
Chapeau Priska, gut gemacht und unterhaltsam erzählt!
Dankeschön!