Gran Canaria, März 2022
Gran Canaria hat mich extrem positiv überrascht. Ich habe es gewählt, um in der Wärme zu wandern und weil diese Reise gut in mein Zeitfenster passte. Dementsprechend waren meine Erwartungen an die Destination bescheiden. Erlebt habe ich eine extrem abwechslungsreiche Insel, sehr unterschiedliche Klima- und Vegetationszonen und ein wunderbares Wandergebiet. https://de.wikipedia.org/wiki/Gran_Canaria
Für einmal geniesse ich, dass alles von Dritten organisiert ist. Zum ersten Mal wage ich es auch, in einer Gruppe zu wandern. Dreh- und Angelpunkt ist die Unterkunft in Playa del Inglès. Hier werden wir jeden Tag von einem Kleinbus abgeholt und zum Ausgangspunkt gefahren. Das ermöglicht es, in allen Inselteilen zu wandern. Unser Wanderguide René https://www.wanderguide-grancanaria.com kennt die Insel wie seine Hosentasche. Er lebt während sieben Monaten des Jahres hier und führt regelmässig Gruppen und Private über die Insel. René wird nicht müde, von Land und Leuten zu erzählen und beantwortet geduldig unsere Fragen. Schwer beeindruckt bin ich von seinen Kenntnissen der Flora. Uns schwirrt der Kopf ob all der deutschen und lateinischen Namen. Mit viel Humor versucht er, dass uns wenigstens ein Grundwissen über die Pflanzen im Gedächtnis bleibt 🙂
Mogan – im wilden Westen
Gleich kommt Gary Cooper um die Ecke – den Colt gezückt! Vom Kraterrand spähen uns feindliche Truppen aus – oder sind es doch nur Büsche? Unsere Fantasie geht durch angesichts der unglaublichen Szenerie. Wir sind im „Grand Canyon“ von Gran Canaria und wandern heute in einer kargen, trockenen und doch so vielfältigen Berglandschaft. Und das überraschend – eigentlich hätten wir woanders sein sollen. Eine Wanderung zum Roque Nublo, dem Wahrzeichen von Gran Canaria, wäre heute auf dem Programm gestanden. Entgegen der Wetterprognose regnet und windet es jedoch unangenehm und die Berge sind nebelverhangen. Unser Guide René schlägt deshalb die Ersatztour im Westen der Insel vor und so fahren wir gleich weiter auf der kurvigen, schmalen Bergstrasse, bis es auch dem Hintersten und Letzten flau im Magen geworden ist. Bei Mogan ist es jedoch trocken und warm und wir erhalten schon mal einen Eindruck von den verschiedenen Klimazonen auf engstem Raum. Diese Startwanderung mit einigen Höhenmetern bietet immer wieder unglaubliche Blicke in die schroffe Bergwelt Gran Canarias und über die Insel. Ich geniesse es.
Teror – grandiose Ausblicke
Rundwanderung von Teror aus aufwärts durch fruchtbare Gebiete und Terrassen nach Valleseco und wieder zurück. Das Klima im Norden der Insel ist wiederum ganz anders. Über dem Atlantik bilden sich regenschwere Wolken, die mit dem Wind zur Insel getrieben werden. Die beinahe 2000m hohen Bergketten können sie jedoch meist nicht überqueren (ausser gestern 🙁 ) und sie entleeren sich deshalb über dem Norden der Insel. Dadurch bleibt es hier kühler und regnerisch, was für verbreitetes Grün und viele Kartoffelfelder sorgt. Auf den Terrassen wird allerlei gepflanzt, auch Mais. Daraus wird Gofio-Pulver hergestellt, ein wichtiges Grundnahrungsmittel https://de.wikipedia.org/wiki/Gofio. Die Wanderung ist kurz mit Ausblicken aufs Meer und die Hauptstadt Las Palmas mit ihren Stränden. Wir besuchen noch den Sonntags-Markt in Teror. Interessant die selbstgebackenen Süssigkeiten. Mmmh…
Falkenschlucht – die Abenteuerliche
Bis jetzt war die ornithologische Ausbeute sehr bescheiden. Ein paar Mauersegler, viele Tauben, sogar die Möwen am Meer machen sich rar – das wars. Heute sollen die Turmfalken dazukommen. Sie jagen in der Falkenschlucht Eidechsen und anderes Kleingetier. Leider ist jedoch keiner der flinken Räuber auszumachen. Wir sind auf Wanderung im Osten der Insel in mittlerer Höhenlage. Im Gemeindegebiet von Valsequillo liegt die Falkenschlucht (Barranco de los cernìcalos). Ein Bach zieht sich durch das Tal und führt ganzjährig Wasser – eine Ausnahme auf der Insel. Die Schlucht ist schmal und wild und der Wanderer/die Wandererin ist schon mal gefordert, wenn über Felsen und Baumstämme geklettert werden muss. Beim Wasserfall ist allerdings Schluss. Das obere Drittel der Schlucht ist amtlich gesperrt. Der (gleiche) Weg zurück ist trotzdem kurzweilig. Nach einem Picknick an lauschigem Plätzchen fordert uns René im botanischen Bereich. Uff, ist das schwierig! Dank des Wasserüberflusses wachsen hier besonders viele Pflanzen auf engem Raum.
Ruhetag – endlich das Meer geniessen
Unser Guide René hält uns jeweils den ganzen Tag auf Trab. Kaum zurück im Hotel, geht es schon wieder zum opulenten Buffet und nachher ist es dunkel. Will man etwas Zeit am Meer verbringen, muss man sich sputen. Statt mit dem Auto eine Inselrundfahrt zu machen, gönne ich mir deshalb heute einen gruppenfreien Tag mit viel Meer. Barfuss im Sand laufen, den Wind im Haar spüren, über die grossen Wanderdünen staunen und über die vielen nackten Männer am Gay-Strand schmunzeln. Es ist also ganz abwechslungsreich 😉
Camino real – der Geschichtsträchtige
Frisch ausgeruht freuen wir uns heute auf einen Einblick in die Geschichte der Ur-Kanaren. Als erstes lernen wir einen Teil des „Königswegs“ (camino real) kennen. Diese teilweise abenteuerlichen, alten Pfade wurden von den Ureinwohnern http://www.kanaren-virtuell.de/kanaren_2/ureinwohner-kanaren.htm erstellt, damit sie ins Landesinnere gelangen konnten. Im 15. Jahrhundert, nachdem die Spanier Gran Canaria erobert hatten, gab der König den Auftrag, die Wege zu sanieren und auszubauen. Daher der königliche Name. Wie andernorts auch, scheint mir die Besetzung durch die Spanier https://de.wikipedia.org/wiki/Eroberung_der_Insel_Gran_Canaria ein unrühmliches Kapitel, welches nicht erkennbar aufgearbeitet wurde. Die königlichen Wege jedoch werden gehegt und gepflegt und erfreuen in der heutigen Zeit das Herz des Wanderers/der Wandererin. Von Temisas aus folgen wir dem Pfad und erreichen bald die in einem steilen Hang gelegenen Höhlen. Hier wohnten die Ur-Kanaren. Dank ganzjährig gleicher Temperatur im Höhleninneren konnten auch Lebensmittel bestens aufbewahrt werden.
Weiter geht es in die „Barranco de las Vacas“, eine kleine, spektakuläre, schmale Schlucht, wo Wind, Wasser und Erosion ganze Arbeit geleistet haben.
Schliesslich erreichen wir unser Tagesziel Agüimes, wo uns die liebevoll platzierten Skulpturen entzücken. Aber noch mehr erfreuen uns Bier, Wein und Tapas. Wohlverdient 🙂
Ayacata – die Kür
Bei der Hinfahrt kurzer Kaffeestopp in San Bartolomé de Tirajana – kurz „Tunte“ genannt. Hier endet der kanarische Jakobsweg und man kann sich in der Kirche neben der Absolution auch einen Stempel abholen 😉 . Die wunderschöne Wanderung führt von Ayacata einem Kraterrand entlang und eröffnet unglaubliche Fernsichten. Einerseits haben wir den Roque Nublo, das Wahrzeichen Gran Canarias, immer wieder im Blick, anderseits sehen wir über die ganze Insel mit Ausblick bis nach Teneriffa. Leider war die Mandelbaumblüte dieses Jahr bereits im Januar und wir können das weisse Blütenmeer nur erahnen. Und wieder überrascht Gran Canaria. Wir stehen plötzlich inmitten eines wunderbaren Kiefernwaldes. Wie das riecht! Hier sind alle Sinne gefragt. Wieder geht es dem Kraterrand entlang mit blühenden Margeriten. Wir passieren den höchsten Stausee der Insel und erreichen unser Tagesziel Cruz de Tejeda. Ein grandioser Abschluss der Wanderwoche.
Eine tolle Woche!
Alle Erwartungen übertroffen! Herrliche Wanderungen, ein engagierter Guide, die Unterkunft tipptopp, eine bunte, lustige Gruppe. Meine erste Erfahrung mit einer organisierten Wandergruppe ist durchwegs positiv.
…….und nein, René. Ich habe sie nicht vergessen: die Kanaren-Wolfsmilch (euphorbia canariensis) – das Natursymbol von Gran Canaria 😉