Orkney – Insel Westray

‚For lovers of empty places‘ – diese Beschreibung trifft den Kern von Westray ziemlich genau.

Wir müssen früh raus, um die Fähre von Kirkwall nach Rapness zu erreichen. Das Bedürfnis nach Frühstück, vor allem aber nach Kaffee ist dementsprechend gross. Weit gefehlt: Hotel und Café sind zu. Das führt uns in die ‚Hauptstadt‘ Pierowall. 560 der rund 600 EinwohnerInnen wohnen hier. Im örtlichen Laden bekommt man so ziemlich alles, was man im Alltag braucht. Auch Velos und Autos werden hier vermietet. Selbstredend, dass der Laden auch eine Post ist – und gottseidank Kaffee anbietet. Die einzige Kirche im Dorf wird soeben renoviert – kein Zugang. Der Friedhof liegt wie so oft an bester Lage mit Blick auf das Meer. Golf könnte man auf Westray spielen – wie überall auf den Inseln. Aber wir sind ja wegen der Natur hier – und da kommen wir voll auf unsere Kosten.

Noup Head im Nordwesten ist unser Ziel https://www.rspb.org.uk/reserves-and-events/reserves-a-z/noup-cliffs/ . Die Anfahrt ist bereits abenteuerlich. GPS-Daten sind gefragt. Die Strasse wird immer schmaler und holpriger, so dass wir bald ein Plätzchen für unseren Tesla suchen. Kaum ausgestiegen, erscheint der Bauer wie aus dem Nichts und weist darauf hin, dass wir grad vor dem Tor stehen, wo er seine Schafe durchtreiben will. Wir kommen mit ihm ins Gespräch und bald sind wir bei Themen über Gott und die Welt. Schlussendlich dürfen wir dort gnädigerweise parkiert bleiben – er werde wohl die Schafe erst am späten Nachmittag zurücktreiben……

Noup Head ist ein unglaublicher Ort. Kaum ist man bei den Klippen angelangt, die fast hundert Meter senkrecht ins Meer fallen, braust einem der Wind in ungewohnter Stärke um die Ohren und zerrt an Jacken, Kapuzen und Rucksack…und an Lunas Flatterohren 🙂 . Wohlweislich hält man etwas Abstand zur Kante, da der Wind böenartig von allen Seiten angreift. Die Szenerie aber ist atemberaubend. Basstölpel und Papageientaucher nisten in den Klippen. Im Gegenwind bleiben sie scheinbar in der Luft stehen, so dass das Fotografenherz höher schlägt. Der Ornithologe entdeckt auch noch weitere interessante Seevögel und ist fast nicht mehr dort wegzukriegen. Kaum ist man fünfzig Meter landeinwärts, bläst kaum mehr ein Lüftchen.

Die Insel ist zwar klein, verfügt aber über ein Kulturerbezentrum https://westrayheritage.co.uk . Dieses ist winzig und doch sind viele Geschichten und Ereignisse des Insellebens liebevoll zusammengetragen und dokumentiert worden. Auf Westray sind die Ausgrabungen aus der Steinzeit bedeutend. Insbesonders ist man stolz auf die ‚Westray Wife‘, eine kleine 5000 Jahre alte Steinfigur, die wohl als Grabbeigabe gedacht war.

Westray ist auch mit kleinen Flugzeugen erreichbar. Die Landebahn im Norden ist winzig. Zur Nachbarinsel Papa Westray existiert eine Flugroute, die nur 2,73 km lang ist und in zwei Minuten bewältigt werden kann – bei Rückenwind sogar in einer Rekordzeit von 53 Sekunden. Zur kürzesten Flugstrecke der Welt gibt es einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde https://www.guinnessworldrecords.com/world-records/63191-shortest-domestic-scheduled-flight .

Westray hat sein Versprechen als ‚empty place‘ gehalten. Viel urtümliche, raue Natur, Schafe so weit das Auge reicht, wenige Menschen und noch weniger Touristen. Wir sind begeistert.