#7 – Göttliches und Weltliches
13.-19.06.2022
Auf Wiedersehen, Portugal! Wir haben dich etwas näher kennen und definitiv lieben gelernt. Du bist bescheiden und authentisch geblieben, hast dich nicht verbogen, nur um den Touristen zu gefallen und doch waren wir stets willkommen. Insbesondere die warmherzigen und sympathischen Menschen werden wir in bester Erinnerung behalten. Nur die Sprache ist mir leider völlig fremd geblieben. Vier wunderbare Wochen Portugal sind es geworden. In den verschiedenen Regionen von Süd nach Nord haben wir immer wieder Neues und Spannendes erlebt, sind gewandert, haben Städte und Städtchen besucht, unzählige Vogel-Hotspots gefunden, haben uns verzaubern lassen von Meer, Küste und dem unendlichen Himmel darüber, sind Streetart-Fans geworden, haben fotografiert, gegessen wie die Könige und den vorzüglichen, regionalen Wein genossen. Obrigada, Portugal.
„Die Galicier werden mit einem Regenschirm in der Hand geboren“ – Das verheisst nichts Gutes für unsere Weiterreise. Jedenfalls staunen wir auf unserer Fahrt von Porto in die Provinz Galicien in Nordspanien erst einmal über die grüne, fruchtbare Landschaft. Eine grosse Hitze begleitet uns in den ersten Tagen und so können wir uns die grüne Üppigkeit noch nicht so recht erklären.
In Galicien führen alle Wege nach Santiago de Compostela. Sämtliche Jakobsweg-Pilger streben diesem Ziel zu. Ich bin ja passionierte Weitwandererin; aber Wanderer, die in Scharen auftreten sind mir ein Graus. Lieber wandere ich mausbeinallein auf unbekannteren Routen, nur mit Luna an meiner Seite. Ich begegne Santiago de Compostela also durchaus skeptisch. Und dann erlebe ich unerwartet einen magischen Moment: Zufällig besichtige ich die Kathedrale von Santiago um zwölf Uhr zum Beginn einer Pilgermesse. Die Kirche ist voll besetzt – also mit ca. 1200 Personen. Die katholische Messe wird natürlich in spanischer Sprache gelesen, ich verstehe herzlich wenig. Und plötzlich entsteht eine ganz eigene, feierliche Stimmung. Es wird mucksmäuschenstill – kein Husten, kein Telefongeklingel, kein Scharren der Füsse. Man könnte eine Nadel fallen hören. Ein Tenor beginnt zu singen und seine Stimme erfüllt den ganzen Raum (das Mittelschiff ist immerhin imposante hundert Meter lang!). Spätestens jetzt stellen sich die Härchen an den Armen auf. Dieser wunderbare Moment zaubert den Menschen ein Lächeln aufs Gesicht. Mit dem Verabreichen des Abendmahls kehrt dann wieder der normale Geräuschpegel zurück und der Zauber ist verflogen. Auf dem Boden sitzend kann ich nun umfassende Studien zu Pilgerfüssen und -schuhen führen: schmutzige und/oder durchgelaufene Wanderschuhe, Sandalen mit und ohne Socken, Pflaster und Verbände an Zehen, Fersen und Unterschenkeln, die üblichen Sneakers, aber auch filigrane und elegante Sommersandaletten. Zum Schluss folgt der „Show“teil. Ja, auch die katholische Kirche kann sich bekanntlich in Szene setzen! Das Weihrauchfass, der Botafumeiro, hier immerhin 80 kg schwer, wird von acht Männern an Seilen hochgehievt und mit grossem Schwung durch das Mittelschiff geschwenkt. Das macht Eindruck. Der Weihrauch verteilt sich in der ganzen Kirche. Es wird gemunkelt, dass damit die unangenehmen Gerüche der Pilgerinnen und Pilger übertüncht werden sollen…..Ansonsten erfüllt die Stadt leider meine Befürchtungen: zu voll, zu laut, zu schlechtes Essen, überrissene Preise, billige Souvenirs…..und an diesem Tag definitiv zu heiss.






Die Galicier selber pilgern nicht nach Santiago de Compostela, sondern nach San Andres de Teixido, einem Dorf mit fünfzig Einwohnern. Der Legende nach soll das Boot von San Andres dort auf Grund gelaufen sein und sich in Stein verwandelt haben. San Andres habe sich darüber beschwert, dass er dort nun alleine leben müsse und ihn niemand besuchen komme; alle würden nach Santiago de Compostela streben. Gott (in anderen Versionen: Santiago) hätte Mitleid mit ihm gehabt und deshalb bestimmt, dass jeder und jede einmal im Leben zu San Andres pilgern müsse. Tue man das nicht als Lebender, dann müsse man es als Toter tun und zwar in Gestalt einer Echse oder Ähnlichem. Es wird deshalb bis heute empfohlen, auf dem Pilgerweg achtsam mit dem Kleingetier umzugehen; es könnte ja eine verlorene Seele sein. Ausserdem tragen die Pilger jeweils einen Stein aus der Umgebung mit (auch das könnten Seelen Verstorbener sein, die es selber nicht nach San Andres geschafft haben) und deponieren ihn auf inzwischen grossen Steinhaufen. Die wenigen Einwohnerinnen und Einwohner von San Andres de Teixido backen und verkaufen fleissig verschiedene Kekse. Auch hier kommt man aber nicht an den billigen Souvenirs vorbei. Alles in allem ist der Ort fantastisch gelegen mit Blick aufs Meer und sowohl die kleine Kirche wie auch die Felsenkapelle sind einen Besuch wert. Für mich gehört natürlich auch der Gang auf den Friedhof dazu. Es ist immer spannend zu sehen, wie die Menschen einer Region mit ihren Toten umgehen.





Nun, es gibt in dieser Woche auch durchaus Irdisches, das mich erfreut hat. Zu erwähnen ist da die Stadt A Coruna, die mit wunderbaren Glasfassaden punktet, mit der grossen und eindrücklichen Plaza Maria Pita, aber auch mit riesigen Stadtstränden und einer zwölf Kilometer langen Promenade dem Meer entlang. Endlich mal wieder Powerwalken – und das mit Aussicht!




Und dann natürlich endlich wieder ein wilder Küstenabschnitt mit Klippen und starker Brandung. Der Atlantik und das kantabrische Meer (Golf von Biskaya) stossen aufeinander und das gibt wortwörtlich einen Riesenwirbel. Wir besuchen den nördlichsten Punkt Spaniens, fahren durch gewaltige Windparks, gucken respektvoll von der Klippe 600 Meter senkrecht hinunter ins Meer und…….frieren…..Jawohl, wie für Galicien üblich (wir sind ja vorgewarnt) regnet es und die Temperaturen fallen weit unter zwanzig Grad. Da müssen auch die Socken wieder mal ihren Dienst leisten. Von zu Hause erreichen uns derweilen Meldungen über die ausserordentliche Hitzeperiode mit Temperaturen von über dreissig Grad. Verkehrte Welt!





